Für Ersthelfer und EFR ® Instructors, die HLW und Erste Hilfe Kurse geben, wird es zunehmend wichtiger, das Wissen über potenzielle Opioid-Überdosierungen sowie das möglicherweise lebensrettende Naloxon auszubauen. Der weltweit steigende Missbrauch von Opioiden ist alarmierend, daher ist es notwendig, Opioid-Überdosierungen erkennen zu können, zu verstehen und zu wissen, wie darauf zu reagieren ist. Was genau ist Naloxon (in Präparaten wie Narcanti, Narcan, Nyxoid oder Nexodal), wie ist es erhältlich und wie wird eine Opioid-Überdosierung behandelt?


Was ist eine Opioid-Überdosierung?

Opioide sind Medikamente, die von Ärzten* zur Schmerzlinderung verschrieben werden, zum Beispiel nach Verletzungen oder bei der Behandlung chronisch Kranker. Zudem werden sie häufig bei chirurgischen Eingriffen während der Narkose eingesetzt. Opioide können, richtig angewendet, ohne Gefährdung verabreicht werden, aber der Missbrauch von verschreibungspflichtigen sowie rezeptfreien Opioiden nimmt in vielen Bevölkerungsgruppen zu.

Eine Opioid-Überdosierung tritt auf, wenn eine Person zu viel Opioid zu sich nimmt, sei es durch verschreibungspflichtige Schmerzmittel oder illegale Stoffe wie Heroin oder Fentanyl. Opioide unterdrücken das zentrale Nervensystem, was zu schwacher Atmung oder Atemstillstand, zu Bewusstlosigkeit und sogar zum Tod führt. Dieser Prozess ist in der Regel ziemlich langsam und kann einige Minuten bis hin zu einigen Stunden dauern. Normalerweise wird dies nur überlebt, weil jemand zur Hilfe kommt


Erste Hilfe bei vermuteter Opioid-Überdosierung 

Wenn du eine Opioid-Überdosierung bei jemandem vermutest, ist das Wissen um schnelle und effektive Maßnahmen viel wert. Folgend führen wir die Schritte der Ersten Hilfe bei vermuteter Opioid-Überdosierung auf, inklusive der Anwendung von Naloxon und HLW.

Du kannst dies auch in die Szenarien deines EFR Trainings einbauen oder das Thema im Rahmen der Fertigkeiten der EFR Erst- und Zweitversorgung, wie Beurteilung der Situation und des Patienten oder Berücksichtigungen bei der Bewertung von Krankheit und Verletzung behandeln. Zudem kannst du in Gemeinden Workshops zur Ersten Hilfe, HLW und AED bei Verdacht auf Opioid-Überdosierung anbieten.

1. Eine potenzielle Opioid-Überdosierung feststellen

Wenn du nicht sicher bist, ob eine Überdosierung stattgefunden hat, stelle dir bei deiner Einschätzung folgende Fragen:

  • Atmet die Person?
  • Ist die Person ansprechbar?
  • Antwortet die Person, wenn du sie fest antippst und ihren Namen rufst?
  • Kann die Person sprechen?
  • Welche Farbe hat die Haut, insbesondere an den Lippen und Nagelbetten?
  • Gibt es offensichtliche Hinweise, wie Spritzen oder Tablettenbehälter, in der Nähe der Person?

Anzeichen einer möglichen Opioid-Überdosierung

  • Langsame, flache oder keine Atmung.
  • Langsamer, unregelmäßiger oder fehlender Pulsschlag.
  • Die Person ist nicht ansprechbar oder bewusstlos.
  • Blaue Lippen oder Fingernägel.
  • Extrem kleine Pupillen oder Schwierigkeiten beim Fokussieren.
  • Blasse oder feuchte Haut.
  • Erbrechen.
  • Körper und Muskeln erscheinen schlaff.
  • Gurgelnde, würgende oder schnarchende Geräusche.
  • Wach, aber nicht in der Lage zu sprechen.

2. Für Sicherheit sorgen

Sorge für Sicherheit vor Ort und dabei zuerst für deine eigene Sicherheit! Bevor du dich dem Patienten zuwendest, vergewissere dich, dass in der Umgebung keine Gefahren, wie Spritzen, sonstige Drogenartikel oder andere Risiken vorhanden sind. Schütze dich mit entsprechender Ausrüstung, wie Handschuhen und Augenschutz. 

3. Hilfe rufen

Rufe sofort den Rettungsdienst. Informiere ihn über die Situation und mache detaillierte Angaben, auch zu deiner Vermutung, dass es sich um eine Opioid-Überdosierung handeln könnte. Verwende möglichst Begriffe wie ‚Opioidvergiftung‘ anstelle allgemeinerer Bezeichnungen wie ‚Überdosis‘ oder ‚Drogen‘. Beachte, dass die Mitteilung zur verlangsamten oder ausgesetzten Atmung oder Bewusstlosigkeit wichtiger ist als die Vermutung, dass der Zustand durch Opioide verursacht wurde. 

4. Prüfe Atmung und Ansprechbarkeit

Kippe den Kopf des Patienten nach hinten und hebe das Kinn an, um die Atemwege zu öffnen. Schaue, horche und fühle für maximal 10 Sekunden, ob die Person atmet.

Reaktionslosigkeit oder Bewusstlosigkeit treten häufig auf. Wenn die Person atmet, versuche sie körperlich und akustisch zu stimulieren, damit sie wach wird. Du kannst mit deinen Fingerknöcheln auf ihrem Brustbein oder Schlüsselbein reiben oder sie hinten in den Arm kneifen. Sprich die Person laut und deutlich an. Wird sie dadurch wach, versuche zu erreichen, dass sie sich konzentriert und mit dir redet. Reagiert sie nicht auf die Reize, bleibt bewusstlos oder scheint der Zustand sich zu verschlechtern, behandle die Situation als Notfall.

a doctor holding narcan opioid overdose

5. Verabreiche Naloxon

Naloxon ist unter verschiedenen Handelsnamen meist als Nasenspray oder Injektion verfügbar. Beachte die Hinweise auf der Packung/Packungsbeilage des dir zur Verfügung stehenden Präparats. In vielen Ländern ist Naloxonspray in Apotheken rezeptfrei erhältlich, während es in anderen Ländern verschreibungspflichtig oder nur für bestimmte medizinische Berufsgruppen zugelassen ist. Informiere dich über die örtlichen Gesetze und Vorschriften zu Verfügbarkeit und zum Erwerb von Naloxon.

Naloxon vorbereiten: Handle entsprechend der Produktanleitung. Dazu kann gehören, das Produkt auszupacken, eine Düse oder einen Applikator aufzustecken oder die Sprühvorrichtung des Nasensprays zu montieren.

Bevor du die Dosis verabreichst:

  1. Positioniere den Patienten in Rückenlage.
  2. Kippe seinen Kopf leicht zurück.
  3. Stecke die Spitze des Sprühkopfes in eines seiner Nasenlöcher, so dass es gut abdichtet.
  4. Drücke, um den Sprühstoß abzusetzen. Verabreiche die in der Packungsbeilage empfohlene Dosis.
  5. Wiederhole dies bei Bedarf im zweiten Nasenloch.

Naxolon anwenden: Wenn du ein Nasenspray verwendest, verabreiche das Naxolon, indem du den Sprühkopf in ein Nasenloch einführst und dann entschlossen drückst, um den Sprühstoß des Medikaments auszulösen. Wenn du intramuskulär (per Injektion) zu verabreichendes Naxolon verwendest, folge den Anleitungen auf der Verpackung. Am besten wird es in einen großen Muskel an Oberschenkel, Pobacke oder Schulter injiziert.

Beachte, dass Naloxon nur bei Opioiden als Gegenmittel wirkt. Es hilft nicht bei Überdosierungen anderer Drogen, wie Kokain, Speed, Alkohol oder anderen nicht-opoiden Rauschmitteln

6. Bei Bedarf HLW durchführen

Ist die Person nicht ansprechbar und atmet sie nicht, beginne mit der HLW. Fange mit der Herzdruckmassage an, drücke 100 bis 120 Mal pro Minute. Bleibt der Zustand des Patienten nach drei bis fünf Minuten unverändert, verabreiche nach Möglichkeit eine weitere Dosis Naloxon und führe die HLW fort.

7. Helfen, bis weitere Hilfe eintrifft

Ist das Naloxon verabreicht, beobachte weiterhin die Atmung und Ansprechbarkeit des Patienten. Setzt die Atmung wieder ein und kommt er zu Bewusstsein, lege ihn in die stabile Seitenlage, um zu verhindern, dass er erstickt und stehe ihm zur Seite, bis der Rettungsdienst eintrifft.

Falls nötig, führe weitere HLW durch und verabreiche weiteres Naloxon (zwischen den einzelnen Dosen sollte ein Zeitabstand von drei bis fünf Minuten liegen). Eventuell ist mehr Naloxon nötig. Auch wenn der Patient nicht unter einer Opioid-Überdosierung leiden sollte, richtest du durch das Verabreichen von Naloxon keinen Schaden an. Du kannst es jeder Person verabreichen, der es helfen könnte, auch, wenn sie nicht in der Lage ist, um Hilfe zu bitten. Setze die Rettungsmaßnahmen fort, bis der Patient anfängt, selbständig zu atmen oder bis der Rettungsdienst dich ablöst. Wenn der Patient atmet und einen stabilen Eindruck macht, positioniere ihn in der stabilen Seitenlage.

8. Informationen an die Rettungskräfte weitergeben

Gib den Rettungskräften, sobald sie eintreffen, einen genauen Bericht darüber, was passiert ist. Dazu gehört auch, welche Substanz vermutlich zur Überdosis geführt hat (falls bekannt) sowie alle ergriffenen Maßnahmen, wie die Naloxongabe, inklusive Dosierung und Uhrzeit der Verabreichung. Halte dich an die Fakten, ohne zu spekulieren. 

9. Beim Patienten bleiben

Beobachte und unterstütze den Patienten weiterhin, auch nach der Verabreichung des Naloxons – die Beobachtung des Patienten bis zum Eintreffen des medizinischen Fachpersonals ist extrem wichtig. Überprüfe regelmäßig die Atmung und den Herzschlag und sei darauf vorbereitet, bei Bedarf HLW durchzuführen. Beruhige die Person und vergewissere ihr, dass Hilfe unterwegs ist.

Im Normalfall wirkt Naloxon sofort, die Wirkung hält etwa 30 bis 90 Minuten an. Die Wirkung der Opioide kann jedoch länger anhalten, wodurch die Möglichkeit besteht, dass nach der Wirkdauer des Naloxons die Symptome der Überdosierung wieder auftreten. Es ist sehr wichtig, dass jemand beim Patienten bleibt, bis die Rettungskräfte eintreffen und dass eine weitere Einnahme schädigender Substanzen verhindert wird.

10. Auf professionelle Hilfe bei der Nachsorge drängen

Auch wenn der Patient sich zu erholen scheint, solltest du ihn dazu ermuntern, sich umfassend ärztlich untersuchen zu lassen. Durch den Vorfall kann es zu anderen, ernsthaften Beschwerden kommen, die eine sofortige Fürsorge erfordern. 


Beachte, dass rechtzeitiges Handeln den Ausgang einer Opioid-Überdosierung erheblich beeinflussen kann. Darauf vorbereitet zu sein, die Anzeichen zu erkennen und mit Naxolon und HLW zu reagieren, kann Leben retten. Naloxon ist einfach anzuwenden und ist, in der Regel, auch gut verfügbar. Du könntest dich in deiner Gemeinde erkundigen, wo es Naloxon-Kits gibt – angefangen bei deinem Sozial- und Rettungsdienst sowie bei Notfall- und Suchtmedizinern. Örtliche Krankenhäuser und Apotheken können Naloxon-Produkte nach aktuellem Stand gegen Rezept abgeben.

Naloxon spielt eine wichtige Rolle dabei, die Wirkungen einer Opioid-Überdosierung zu mindern, dabei ist es jedoch unabdingbar, schnell zu handeln und das Präparat korrekt zu verabreichen. Wenn wir auf dem Laufenden bleiben, auch über den legalen Bezug eines Nalaxonpräparates, und uns in der Ersten Hilfe auf Opioid-Überdosierungen einstellen, können wir Leben retten.


*In diesem Text wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten sind dabei ausdrücklich einbezogen, soweit es für die Aussage erforderlich ist.


Ausgewählte Artikel