Unabhängig von der Ausbildungsstufe gehört zur Tauchausbildung auch, dass man lernt, kritisch zu denken – eine geistige Leistung, bei der bereits vorhandene Informationen, Fertigkeiten, Konzepte, Prinzipien, Erfahrungen und Gefühle berücksichtigt werden, um Entscheidungen zu treffen, Urteile zu bilden oder Lösungen zu erarbeiten. Kritisches Denken hat immer einen bestimmten Zweck und ist nicht das einfache Umsetzen eines erlernten Verfahrens. Wenn zum Beispiel dein Atemregler plötzlich keine Luft mehr liefert, erfordert das Wechseln auf die zweite Stufe deines Tauchbuddys* (im Freizeittauchen) oder auf deine zweite Stufe (im Tec-Tauchen) kein kritisches Denken, denn ihr wisst, was zu tun ist und habt es vermutlich geübt.
Kritisches Denken wird in Situationen benötigt, in denen keine oder nur unvollständige Informationen als Entscheidungsgrundlage vorhanden sind oder wenn du eine Lösung finden musst, indem du dein Wissen und vernünftige Spekulationen/Schlussfolgerungen anwendest. Die Planung eines Tauchgangs erfordert also in der Regel kritisches Denken, denn obwohl es allgemeine Abläufe gibt, musst du dein Urteilsvermögen einsetzen und Entscheidungen auf der Grundlage unvollständiger Informationen treffen. Der Bedarf an kritischem Denken nimmt zu, je komplexer die Situationen werden (z. B. in der Pro-, Tec- oder Public-Safety-Diver-Ausbildung), weil hier eher Umstände eintreten, für die es keine spezifischen Verfahren gibt. Als Instructor stellt sich die Frage: Wenn kritisches Denken Lösungswege erfordert, die es noch nicht gibt, wie soll man es dann unterrichten?
Es ist nicht möglich.
Jedenfalls nicht in dem Sinne, dass man es wie bei anderen Fertigkeiten einfach durch Erklärungen vermitteln kannst. Zum Vergleich: Wie bringst du jemandem bei, wie man einen Atemregler entleert? Du nimmst ihn in den Mund, pustest stark oder verschließt die Öffnung mit deiner Zunge, während du die Luftdusche drückst. Das ist ein einfacher Vorgang, den die meisten Taucher auf Anhieb beherrschen, weil sie alles verstehen und umsetzen können, nachdem sie deine Erklärung gehört und deine Vorführung gesehen haben. Im Grunde genommen lernen sie es, bevor sie es selbst tun (wobei sie es natürlich trotzdem tun müssen).
Vergleiche das mit dem Fahrradfahren lernen: Nur sehr wenige Menschen beherrschen es beim ersten Versuch, egal wie sehr man es ihnen vorher beschreibt und demonstriert. Man lernt durch die Erklärung nicht wirklich, wie man auf zwei Rädern balanciert – das kann man nur lernen, indem man es ausprobiert. Wenn wir jemandem das Fahrradfahren beibringen, erklären wir Techniken, führen es vor und geben Tipps, die beim Lernen helfen, das Risiko verringern und den Prozess beschleunigen. Aber um das Radfahren zu beherrschen, muss man es selbst machen.
Mit dem kritischen Denken ist es ähnlich: Du kannst Techniken und Tipps vermitteln und es demonstrieren, aber um es zu lernen, müssen deine Tauchschüler es selbst tun.
Zum Glück gibt es eine sehr effektive Technik, um deinen Tauchschülern in geführten Diskussionen kritisches Denken beizubringen. Du kannst diese Technik auf jeder Ausbildungsstufe anwenden, aber sie lässt sich besonders gut im im Tec-Tauchen und in der fortgeschrittenen Tauchgangsplanung praktisch umsetzen. Interessiert? Klicke hier, um mehr darüber zu erfahren. Das Webinar Teaching Divers to Think Like Divers steht PADI Mitgliedern auf der PADI Pros‘ Site kostenfrei zur Verfügung. In Teaching Divers to Think Like Divers wird gezeigt, wie man kritisches Denken unterrichtet. Die Beispiele im Webinar beziehen sich hauptsächlich aufs Tec-Tauchen, gelten aber für jede Ausbildungsstufe und lassen sich sogar auf kritisches Denken in anderen Situationen des Lebens übertragen.
Um kritisches Denken zu unterrichten, muss man selbst auch kritisch denken können. Während das Webinar dich also in die richtige Richtung bringt, weißt du jetzt, dass du das Vermitteln von kritischem Denken genau dann am besten lernst, wenn du es tust.
Karl Shreeves
PADI Education Content and Development Executive
PS: Jetzt kennt bestimmt jemand irgendwen, der zum ersten Mal auf ein Fahrrad gestiegen ist und sogleich meisterhaft losgefahren ist. Das soll vorkommen. Wenn du kritisches Denken unterrichtest, wirst du feststellen, dass viele Tauchschüler das auch schon gut können. In beiden Fällen kannst du davon ausgehen, dass die zugrundeliegenden Fertigkeiten bereits in einem anderen Kontext entwickelt wurden.
*In diesem Text wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten sind dabei ausdrücklich einbezogen, soweit es für die Aussage erforderlich ist.

