
In der Lage zu sein, starke äußere Blutungen (Hämorrhagie)zu kontrollieren, kann Leben retten. Als ‚starke Blutung‘ verstehen wir hier eine äußere Blutung, die sich mit herkömmlichen Maßnahmen (wie direktem Druck) nicht kontrollieren lässt und weitere Techniken erfordert, um gestoppt zu werden. Solche traumatischen Blutungen kommen häufiger vor, als man vielleicht denken würde – etwa bei schweren Verkehrsunfällen, Schuss- oder Messerwunden oder tiefen Schnitten.
Für jeden Ersthelfer ist es wichtig, sich mit den aktuellen Techniken und der Ausrüstung zur Kontrolle starker Blutungen auszukennen. Sie sind vor Ort leicht anzuwenden und helfen nachweislich dabei, Leben zu retten, wenn jede Minute zählt.
Folgend einige Hinweise zum Umgang mit starken Blutungen:
Wo blutet es?
Wie du die Blutung behandelst, hängt von der verwundeten Körperstelle ab. Beurteile die Verletzung: Wenn eine starke arterielle Blutung an einer Extremität nicht durch direkten Druck gestoppt werden kann, ist die nächste Option das Anlegen eines Tourniquets (handelsüblich oder bei Bedarf improvisiert). Befindet sich die Blutung nicht an einer Extremität und kann sie auch nicht durch direkten Druck gestoppt werden, verwende blutgerinnende Mittel oder Verbände, wenn möglich fülle die Wunde damit aus. Es sind viele Puder und Verbände mit blutgerinnenden Mitteln erhältlich, um die du deinen Erste-Hilfe-Kasten ergänzen solltest.
Welche Methode eignet sich?
Abhängig von den örtlichen Notfallrichtlinien, der zur Verfügung stehenden Ausrüstung und der verwundeten Körperstelle gibt es verschiedene Methoden, mit denen sich starke Blutungen kontrollieren lassen – zum Beispiel direkter Druck, erhöhtes Lagern, Druckverbände, Abdecken der Wunde, indirekter Druck, Schienen, ansteigender Druck und Tourniquets. Jede Methode kann Erfolg versprechen, in Kombination erzielt man die besten Ergebnisse. Achte auch immer auf Anzeichen eines Schocks, wenn du starke Blutungen behandelst.
Hier wird auf zwei Hilfsmittel zur Kontrolle starker Blutungen näher eingegangen: handelsübliche Tourniquets und improvisierte Tourniquets. Starke Blutungen an Gliedmaßen können mit beiden Hilfsmitteln wirksam gestoppt werden und sie sind relativ einfach zu verwenden. Tourniquets sind wertvoller Bestandteil deines Erste-Hilfe-Kastens und können bei korrekter Anwendung dazu beitragen, Leben zu retten! (Bedenke, dass sie dafür konzipiert sind, Schlimmeres zu verhindern, bis professionelle Hilfe eintrifft.)
Sage dem Patienten vor dem Anlegen eines Tourniquets oder improvisierten Tourniquets, dass es wehtun kann – was aber besser ist, als zu verbluten. Kann eine Blutung nicht durch festen, direkten Druck auf die Wunde gestoppt werden, ist die nächst Option ein handelsübliches Tourniquet. Wenn keins verfügbar ist, kannst du mit einigen herkömmlichen Gegenständen eins improvisieren. Betrachten wir das genauer:
Die Verwendung handelsüblicher Tourniquets:
Heutzutage sind verschiedene Arten einsatzfähiger Tourniquets erhältlich. Zwei der häufigsten Modelle sind das Tourniquet mit Knebel (‚CAT- Stil‘ der Druck wird durch Festziehen mithilfe des Knebels erzeugt) und das Tourniquet mit Schnalle (‚SAT-Stil‘, der Druck wird durch Festziehen mithilfe eines Spannmechanismus erzeugt). Achte bei der Wahl eines Tourniquets darauf, dass die Druckfläche möglichst groß ist, um Schmerzen und Verletzungen beim Anlegen zu minimieren. Außerdem sollte der ausgeübte Druck anpassbar sein, um die Blutung wirksam zu stoppen. Auch hohe Material- und Verarbeitungsqualität sind wichtig, denn das Tourniquet wird stark gespannt.
Tourniquets werden möglichst direkt auf der Haut verwendet, können bei Bedarf aber auch über der Kleidung angebracht werden. Nochmal: sage der verwundeten Person, dass das Anlegen des Tourniquets schmerzhaft sein kann. Die Erwartung der Schmerzen und das Wissen, dass die Maßnahme hilft, helfen Verwundeten oft dabei, den Schmerz besser zu ertragen. Bringe das Tourniquet möglichst etwa 5 Zentimeter/2 Inch über der Wunde und niemals auf einem Gelenk an. Ziehe das Tourniquet durch Drehung am Hebel straffer und erhöhe so den Druck, beobachte währenddessen die Blutung. Ziehe es so lange straffer, bis die Blutung versiegt oder deutlich geringer wird. Sollte es noch aus der Wunde tröpfeln, ist das in Ordnung, aber es sollte kein hellrotes Blut mehr fließen.
Sichere den Knebel mit dem dafür vorgesehenen Clip, um die Spannung aufrecht zu erhalten und befestige überschüssiges Bandmaterial auch mithilfe des Clips. Platziere dann die Schlaufe über dem Clip.
Falls die Blutung nicht gestoppt werden konnte, musst du eventuell ein zweites Tourniquet oberhalb des ersten anbringen. Übe auch nach Anlegen des Tourniquets möglichst weiterhin direkten Druck auf die Wunde aus. Denke immer daran, die Zeit des Anbringens zu notieren und auch den Rettungsdienst darüber zu informieren. Einige handelsübliche Tourniquets verfügen über ein Feld dafür und einige Rettungsexperten empfehlen, die Zeit gut sichtbar mit einem Filzstift o.ä. direkt auf den Patienten zu schreiben.
Improvisierte Tourniquets:
Improvisierte Tourniquets entsprechen dem Konzept handelsüblicher Tourniquets, erfordern aber etwas kreatives Denken oder Kompromisse. Häufig können sie aus Dingen in deinem Erste-Hilfe-Kasten oder aus Kleidungsstücken zusammengestellt werden. Als erstes sollte die Wunde mit einem Verband und direktem Druck behandelt werden, das Tourniquet – improvisiert oder gekauft – kommt zum Einsatz, wenn die ersten Maßnahmen nicht ausreichen, um die Blutung angemessen zu kontrollieren. Wie beim handelsüblichen Tourniquet kommt es auch beim improvisierten Tourniquet darauf an, unter dem Knebel direkten Druck und um die Extremität herum ringförmig Druck auszuüben. Mit diesen beiden Maßnahmen werden zur Wunde führende Hauptadern zusammengedrückt, dadurch kann die Blutung geschwächt werden.
Ein improvisiertes Tourniquet anzulegen ist recht einfach: Das Dreiecktuch in deinem Erste-Hilfe-Kasten ist dafür ideal geeignet. Rolle es auf eine Breite von 7-10 cm bzw. 3-4 in zusammen. Sollte kein Dreiecktuch verfügbar sein, kannst du auch Kleidungsstücke wie eine Krawatte, ein Halstuch oder ähnliches benutzen. Es muss komplett um die Extremität gelegt werden können und stark genug sein, um straff festgezogen zu werden. Lege das Dreiecktuch (o.ä.) um die Extremität, etwa 5 Zentimeter/2 Inch oberhalb der Wunde, und verknote die Enden mit einem Kreuzknoten (der Knoten soll oben auf der Extremität aufliegen).
Wähle dann einen passenden, stabilen Knebel. Das kann ein Hartholzstab sein, eine robuste Taschenlampe, ein Karabiner, ein Löffel, eine Schere, ein Schraubenschlüssel oder ähnliches. Lege deinen Knebel oben auf den Knoten. Achtung: Stifte und Kugelschreiber eignen sich nicht, da sie beim Festziehen zerbrechen. Mache einen weiteren Kreuzknoten über dem Knebel, um ihn zu befestigen.
Drehe den Knebel, so dass direkt darunter auf der Extremität ein großer Drehknoten entsteht. So übst du wie mit einem handelsüblichen Tourniquet Druck aus. Ziehe den Knebel weiter fest, bis die Blutung unter Kontrolle ist und sichere ihn dann, indem du ihn mit den losen Enden festknotest. Du kannst auch einen Schlüsselring oder ähnliches über das Tourniquet schieben, bevor du den Knebel einknotest, um ihn damit zu sichern.
Behandlungsablauf bei starken Blutungen:
- Sorge für Sicherheit – überprüfe den Unfall-/Versorgungsort
- Benachrichtige den Rettungsdienst und sorge für Absperrungen und persönliche Schutzausrüstung
- Orte die Blutung – Anzeichen sind blutdurchtränkte Stellen auf der Kleidung, spritzendes/fließendes Blut aus einer Wunde, ganz oder teilweise fehlende Gliedmaßen
- Übe Druck auf die Wunde aus
– Druck – Lege einen Verband über die Wunde und übe direkten Druck aus (fest drücken). Je nach verletzter Körperstelle kannst du dein eigenes Gewicht nutzen, um mit beiden Händen kräftigen Druck auszuüben und ihn zu halten, bis der Rettungsdienst ankommt. Nutze, wenn vorhanden, blutstillende Verbände oder Mittel.
– Anlegen eines handelsüblichen Tourniquets – Sollten Verbände und direkter Druck nicht ausreichen, um die Blutung an einer Extremität zu stoppen, bringe ein handelsübliches Tourniquet an.
– Anlegen eines improvisierten Tourniquets – Sollte kein handelsübliches Tourniquet vorhanden sein, kannst du ein improvisiertes Tourniquet an der Extremität anlegen.
– Ist ein Tourniquet angelegt und/oder die Blutung unter Kontrolle, solltest du dich um die Lagerung, das Ruhigstellen und das Schienen der Gliedmaßen kümmern. Abdrückpunkte können auch hilfreich sein.
– Wunde füllen und abdecken – Versorge die Wunde mit Verbandmull oder (möglichst blutstillenden) Verbänden. Auch ein sauberes Tuch oder Hemd eignen sich. Übe dann direkten Druck auf die Wunde aus. Diese Maßnahmen sind besonders dann wirksam, wenn an der betroffenen Körperstelle kein Tourniquet angebracht werden kann oder keins verfügbar ist. Entferne die Verbände nicht wieder von der Wunde, wenn sie einmal angebracht wurden. Bei Bedarf können weitere Lagen Verbandmaterial hinzugefügt werden. - Achte auf Anzeichen eines Schocks
Folgendes ist beim Anlegen eines Tourniquets zu beachten:
- Beurteile den Versorgungsort sowie den Patienten.
- Beachte AB-CABS – die (Be-)Atmung des Patienten hat Vorrang.
- Rufe den Rettungsdienst.
- Lege persönliche Schutzausrüstung an, bevor du mit der Behandlung von Blutungen beginnst. Trage, wenn möglich, auch einen Augenschutz. Selbst Sonnenbrillen können das Risiko der Krankheitsübertragung mindern, wenn sonst nichts verfügbar ist und die Hilfeleistung dadurch nicht eingeschränkt wird.
- Notiere dir immer gleich nach dem Anlegen den Zeitpunkt, wann das Tourniquet (oder ein Druckverband) angelegt wurde. Das ist wichtig für die weitere medizinische Versorgung. Notiere die Zeit auf dem Tourniquet oder, wenn nötig, direkt auf dem Patienten.
- Beobachte die Wirkung deiner Maßnahmen. Eventuell musst du ein zweites Tourniquet oberhalb des ersten anbringen oder das erste weiter straffen. Löse ein Tourniquet niemals! Lasse es nach dem Anlegen dran.
- Achte auf Anzeichen von Schock und helfe entsprechend – vergiss nicht, mit der verletzten Person zu reden, ihr Ruhe zu bieten und es ihr so bequem wie möglich zu machen. Erheblicher Blutverlust geht fast immer mit Schock einher.
- Sollte die verletzte Person ohnmächtig werden, prüfe Atmung und Kreislauf.
- Sorge dafür, dass der Rettungsdienst schnell verständigt wird – übergib die verletzte Person so bald wie möglich dem medizinischen Rettungsdienst. Informiere das medizinische Personal darüber, dass ein Tourniquet angebracht wurde, an welchem Körperteil und zu welchem Zeitpunkt. Verbleibt ein Tourniquet länger (mehr als zwei Stunden) am Körper, kann es bleibende Schäden oder sogar lebensbedrohliche Zustände verursachen. Sollte die Übergabe an die medizinische Versorgung nicht innerhalb von zwei Stunden möglich sein, versuche die Tourniquets möglichst weit vom Rumpf entfernt anzubringen, wenn ihre Wirkung dadurch nicht beeinträchtigt wird.
Denke daran, dass Tourniquets dafür vorgesehen sind, den Blutfluss am Anbringungspunkt erheblich einzudämmen. Da sie zu dauerhaften Gewebeschädigungen führen können, sollten Tourniquets und Druckverbände nur verwendet werden, wenn die Blutung nicht durch einfachen, direkten Druck gestoppt werden kann oder es nicht möglich ist, direkten Druck auszuüben. Sie werden nur angelegt, wenn das Risiko des Verblutens (mit anschließendem Tod) akut die größte Sorge bereitet.
Beachte, dass die falsche Technik das Risiko dauerhafter Gewebeschädigungen erhöht, oder sogar zu Gewebeschädigungen führt, die ansonsten ausgeblieben wären. Auch ist es möglich, dass die Blutung durch unsachgemäßes Anlegen nicht wie gewünscht gestoppt werden kann. Das gilt besonders dann, wenn für ein improvisiertes Tourniquet Material verwendet wird, das nicht breit und weich genug ist. Herkömmliche Gürtel, Schnürsenkel oder Draht eignen sich nicht gut für improvisierte Tourniquets, da sie nicht adäquat funktionieren, stärkere Schmerzen verursachen und/oder leichter zu gravierenden Gewebeschädigungen führen. Steht dir jedoch nichts anderes zur Verfügung und der Patient ist in Gefahr, an seinem Blutverlust zu sterben, ist es besser, zu versuchen den Blutverlust mit diesen Hilfsmitteln zu kontrollieren, als nichts zu tun.
Wie bei jeder Erste-Hilfe-Ausrüstung ist es wichtig, im Umgang damit sicher zu sein. Erlerne und übe die Verwendung deines Equipments, bevor du es einsetzt. Übe mit improvisierten sowie handelsüblichen Tourniquets. Wichtig ist auch, dass du die Grenzen deiner Ausbildung kennst. Nimm möglichst an weiterführendem Training für Techniken zur Versorgung von Blutungen teil.